Tribologische Phänomene besser verstehen
Wechselwirkung von Additiven mit Metalloberflächen
Ob Motor, Werkzeugmaschine oder das Zerspanen von Metallen und Nichtmetallen – ohne passende Schmierstoffe gäbe es große Probleme beim Betrieb von Maschinen oder der Standzeit von Zerspanungswerkzeugen. Umso unverständlicher, dass tribologisches Wissen in entsprechenden Studiengängen und Ausbildungsberufen nicht in der gebotenen Tiefe vermittelt wird. Diese Lücke versucht das Buch ›Wechselwirkung von Additiven mit Metalloberflächen‹ von Walter Holweger und Joachim Schulz zu schließen.
Wer dachte, dass bezüglich der Schmierstoffe bereits alles gesagt ist, stellt bei der Lektüre des Buches ›Wechselwirkung von Additiven mit Metalloberflächen‹ von Walter Holweger und Joachim Schulz fest, dass noch viel Forschungsarbeit in diesem Bereich zu Tätigen ist.
Die Autoren heben beispielsweise hervor, dass die aus der Literatur bekannten Theorien und Modelle zur Bildung von Reaktionsschichten beim Kontakt von Additiv und Metalloberfläche sich in vielen Fällen als nicht tragfähig herausstellen.
Sie weisen zudem darauf hin, dass das Reibzahl-Temperatur-Diagramm sich unverständlicherweise nach wie vor großer Beliebtheit erfreut, wenn es um die Darstellung der Wirksamkeit von Additiven mit Metalloberflächen geht. Sie heben hervor, dass diesbezüglich mittlerweile über andere Wirkmechanismen diskutiert wird, die die Existenz von Reaktionsschichten in kurzzeitigen Prozessen wie der Metallbearbeitung widerlegt haben. Trotz jahrelanger Recherche bezüglich des Urhebers dieses Diagramms ist es ihnen nicht gelungen, diejenige Person zu ermitteln, die dieses Diagramm erstellt hat.
Dieses Diagramm genügt keinen wissenschaftlichen Standards, da aus diesem nicht hervorgeht, welche Materialpaarungen zur Ermittlung der Reibkoeffizienten Anwendung fand. Es ist nicht einmal erwähnt, welches Metall die dargestellten Additiv-Metall-Verbindungen bilden, die in den angegebenen Temperaturintervallen wirksam sein sollen. Die deutlich unterschiedliche Chemie von Schmierstoffadditiven bleibt komplett unberücksichtigt. Die Autoren merken daher an, dass eine Interpretation zur Wirkung von Additiven aus dem Diagramm heraus mehr als bedenklich ist.
Sie stellen im Buch einige Beispiele vor, wo Klärungsbedarf besteht. Sie werfen beispielsweise die Frage auf, an welcher Stelle im Tribosystem „Zerspanung“ ein Schmierstoff wie wirkt. Sie bemängeln, dass die Ausbildung einer Reaktionsschicht nur durch Indizien belegt ist, da in allen Untersuchungen ausschließlich die Spanrückseite und die abgespante Fläche untersucht und für die Erklärung der tribologischen Vorgänge am Schneidkeil herangezogen werden.
Sie beleuchten viele wichtige Felder der Tribologie und stellen Irrtümer klar. So weisen Sie beispielsweise im Kapitel „Chlorparaffine“ darauf hin, dass chlorfreie Öle inzwischen in der Lage sind, die gleichen Standzeiten zu erzielen wie chlorhaltige Produkte beziehungsweise in einigen Fällen auch zu übertreffen. Natürlich weisen sie auch auf das Gefahrenpotenzial von Chlorparaffinen hin. So erwähnen sie beispielsweise, dass im Umform- und Feinschneidprozess Dioxine entstehen können, wenn chlorhaltige Öle zum Einsatz kommen.
Bei der Verarbeitung von Buntmetallen weisen sie zudem darauf hin, dass „aktive“ Metallbearbeitungsflüssigkeiten relativ zügig abgereinigt werden sollten, um eine Verfärbung der Teileoberfläche zu vermeiden.
Es zeigt sich, dass das Buch für alle diejenigen, die sich mit Tribologie befassen, ein interessantes Werk ist. Es bietet nicht nur Einblicke hinsichtlich der Wirkungsweise von Additiven, sondern klärt auch darüber auf, dass selbst Fachliteratur im Bereich Tribologie mit Vorsicht zu betrachten ist. Somit eignet es sich hervorragend dazu, auf den aktuellen Forschungsstand zu kommen beziehungsweise altes, unzutreffendes Wissen abzustreifen.
Mehr Informationen:
Titel: Wechselwirkung von Additiven mit Metalloberflächen | |
Autor: Walter Holweger, Joachim Schulz | |
Verlag: Expert | |
ISBN: 978-3-8169-3543-8 | |
Jahr: 2022 | |
Preis: 88 Euro | |
www.expertverlag.de |
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