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Dank Provision in den Untergang

Warum Vermittler Schaden stiften

In einem gesättigten Markt sind Geschäfte nur mehr auf Sparflamme möglich, da Produkte aller Art nur neu angeschafft werden, wenn die alten kaputt gehen oder man sich schlicht etwas Neues gönnen will. Dennoch werden Unternehmen nicht müde, jedes Jahr erneut utopische Wachstumsvorgaben zu verkünden und anzustreben. Eine provisionsgesteuerte Verkaufsabteilung soll dann dafür sorgen, dass die Prognosen eintreffen. In ihrem Buch ›Vorsicht Vermittler‹ legen Jens Hagen, Dörte Jochims und Thomas Schmitt aufrüttelnd dar, dass das Provisionssystem der Grund dafür ist, dass sich insbesondere die Versicherungs- und Finanzbranche mittlerweile immer mehr dem Gebaren der „Ehrenwerten Gesellschaft“ angleicht.


Tarnen, tricksen und täuschen sind mittlerweile die antrainierten Eigenschaften vieler „Verkäufer“ von Finanz- und Versicherungsprodukten. Diese Fähigkeiten sind oft reiner Selbstschutz, um nicht selbst zum Opfer eines Systems zu werden, in dem nur mehr der Umsatz und nicht der zufriedene Kunde im Mittelpunkt steht. Die Autoren des Buchs ›Vorsicht Vermittler‹ haben Haarsträubendes zusammengetragen, welches dokumentiert, dass für die Finanz- und Versicherungsbranche dringendst neue Vorgaben und Rahmenrichtlinien seitens der Politik nötig sind, um dieses marode, menschenfressende System wieder zu stabilisieren. Verbraucherschutz muss wieder großgeschrieben werden!

Dieser Schutz würde nicht nur den Kunden nützen, sondern auch den in dieser Branche Beschäftigten, schließlich werden diese in diesem System oft selbst zerrieben. Beispielsweise werden Mitarbeiter, die in den Augen der Vorgesetzten schwache Verkaufsleistungen zeigen, von speziellen Betreuern ein- bis zweimal pro Woche angerufen, müssen Tätigkeitsprotokolle verfassen oder Vertriebserfolg nachweisen. Kein Wunder, dass die Fluktuation hoch ist. In der perfiden Welt dieser Branche ist dieser rege Wechsel sogar ausdrücklich erwünscht, denn jeder neu eingestellte Vertreter bringt zwangsläufig seine Freunde und die Familie im Bestand unter. Vorteil: Diese bleiben als Kunden beim Unternehmen, auch wenn der Vertreter schon nach kurzer Zeit wieder das Handtuch wirft.

Ein riesengroßes Problem der Finanz- und Versicherungsbranche ist, dass der Lohn sich aus Provisionen speist. Eine Mischung aus Not und Gier nimmt daher vom so bezahlten Verkäufer Besitz. Auf der Strecke bleibt die aufrichtige Beratung des Kunden. Da werden dann Bestandskunden von Versicherungsvertretern mit fadenscheinigen Argumenten überredet, Policen mit vier Prozent Garantiezins trotz hohem Verlust zu verkaufen, um in ein hochriskantes Investmodell zu wechseln. Gewinner ist dabei lediglich der „Berater“, der sich über eine Provision im zweistelligen Prozentbereich freuen darf.

Dieses System führt dazu, dass Top-Verkäufer mehr verdienen können, als ihre Chefs in der Zentrale. 9.600 Euro Provision pro Monat sind bei diesen Kreisen keine Seltenheit. Damit dies so bleibt, wird in der Welt des Giers stets zunächst versucht, den Anlageinteressenten Produkte zu verkaufen, die hohe Provisionen versprechen. Von Spar- oder Tagesgeldkonten will in der Bankenbranche niemand etwas hören, denn dies ist laut Aussage eines Bankers „Ballast“.

Ungeheuerlich ist, dass Vorgesetzte Anweisung an die „Verkäufer“ beziehungsweise „Berater“ erteilen, die Investmentfonds in den Depots ihrer Kunden mindestens alle zwei Jahre zu drehen. Egal ob der Fonds gut oder schlecht gelaufen ist, der Berater muss eine Story erfinden, warum dieser Fonds jetzt nicht mehr gut ist. Der Kunde bekommt also einen neuen Fonds und der „Berater“ freut sich über eine dicke Provision. Da der Ausgabeaufschlag jedes Mal fällig ist, wenn ein Fondswechsel stattfindet, haben Anleger niemals im Leben eine Chance, Erträge mit ihrem Vermögen einzufahren.

Kein Wunder, dass ein Banker hinter vorgehaltener Hand zugibt, dass den schlechten Ruf in den letzten Jahren das Investmentbanking abbekommen hat, die wirklich großen Schweinereien jedoch im Privatkundengeschäft passieren. Kein Wunder, dass Verbraucherschützer im Gegensatz zum Gesamtverband der Versicherungswirtschaft akuten Handlungsbedarf anmelden. Fehlerhafte Beratung muss wirksam sanktioniert werden und schlechte Beratung darf kein Geschäftsmodell mehr sein. Vor allem wird gefordert, Provisionen in der Finanzberatung zu verbieten, was interessierte Kreise natürlich aus naheliegenden Gründen vehement ablehnen.

An dieser Entwicklung ist auch der Kunde nicht unschuldig. Niemand kann erwarten, dass er zum Nulltarif eine Spitzenberatung bekommt. Er ist empört, wenn er einige hundert Euro für diese Dienstleistung zahlen soll. Ohne Murren wird jedoch bei einer größeren Anlagesumme ein Ausgabeaufschlag im vierstelligen Bereich akzeptiert.

Hinzu kommt, dass auch auf der Kundenseite die Gier nach dem schnellen Geld ausgeprägt ist. Jede Art von Schrottprodukt ist verkaufbar, wenn dieses vom „Verkäufer“ in blumigen Farben dargestellt wird. Niemand hat etwas zu verschenken, warum sollte es in der Finanz- und Versicherungsbranche anders sein? Wenn Staatsanleihen beispielsweise 1,5 Prozent und Festgeld 0,5 Prozent bringt, warum sollte jemand zwei Prozent bieten? Wer trägt das Risiko? Die Frage nach den Beweggründen des „Wohltäters“ sollte sich der Kunde stellen, eher er die Unterschrift unter den Vertrag leistet.

Wer die fiesen Tricks von Finanzberatern und Versicherungsvertretern kennenlernen möchte, um auf deren Schalmeienklänge nicht mehr hereinzufallen, ist mit dem Buch ›Vorsicht Vermittler‹ gut bedient. Hier ist auch zu lesen, dass die Bewertungen von Ratingagenturen lediglich Schall und Rauch sind, dass Garantiezertifikate durchaus über Nacht wertlos werden können, dass selbst Regierungen mit falschen Darstellungen und Meldungen Wirtschaftsdaten verschleiern und dass über 20 Jahre hinweg 90 Prozent der geschlossenen Fonds ihr Ziel nicht erreichten. Im Buch werden auch hilfreiche Online-Links genannt, die Informationen zu Ratingsberichten und Beteiligungsmodellen bieten.

Das Buch ist ein guter Ratgeber, hin zum mündigen und kritisch nachfragenden Kunden. Die Lektüre des Buches lohnt, um künftig mit offenen Augen und selbstbewusst dem Finanz- und Versicherungsgewerbe gegenüberzutreten.

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Titel: Vorsicht Vermittler
Autor: Jens Hagen, Dörte Jochims, Thomas Schmitt
Verlag: FBV (Finanzbuch Verlag)
ISBN: 978-3-89879-871-6
Jahr: 2014
Preis: 19,99
www.finanzbuchverlag.de
 

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