Midtech bietet Marktchancen in BRIC-Staaten
VDW-Studie rät Maschinenbau zur Aufmerksamkeit
Der deutsche Maschinenbau eilt von Erfolg zu Erfolg. Wer kundenspezifische Hightech-Produkte für seine Fertigung braucht, wird hier fündig. Allerdings finden sich boomende Volkswirtschaften heute vor allem in den Schwellenländern, allen voran den BRIC-Staaten, also Brasilien, Russland, Indien und China. Dort sind jedoch oft einfachere Maschinen gefragt. Ein wachsendes Marktpotenzial, das deutsche Maschinenbauer nicht vernachlässigen sollten – so jedenfalls das Ergebnis einer vom Verein deutscher Werkzeugmaschinenfabriken VDW in Auftrag gegebenen Studie der Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers (PwC).
Angesichts toller Zahlen könnte sich der deutsche Werkzeugmaschinenbau beruhigt zurücklehnen: Dank der starken Nachfrage vor allem aus den Schwellenländern werde das Marktvolumen in Westeuropa, USA und den BRIC-Staaten im Jahr 2015 voraussichtlich um die 68 Mrd. Euro betragen. Das ist mehr als das Doppelte des 2010er Wertes. Dabei entfielen über die Hälfte des Wachstums allein auf China, wobei die Nachfrage nach High-End-Maschinen überproportional steigen werde. Im Hightech-Segment würden die Umsatzerlöse von derzeit knapp einer Mrd. Euro auf 2,6 Mrd. Euro in 2015 zulegen. „Die deutschen Werkzeugmaschinenhersteller sind bereits heute Technologieführer und haben eine entsprechend gute Wettbewerbsposition. Um sie zu halten, muss die Internationalisierung jedoch weiter vorangetrieben werden. Mit dem Export von Produkten allein werden sich die Wachstumschancen in den Schwellenländern nicht optimal ausschöpfen lassen", rät Martin Kapp, Vorsitzender des VDW.
Allerdings: „Das volle Wachstumspotenzial der ‚Welt von morgen‘ wird sich nur denjenigen Werkzeugmaschinenherstellern eröffnen, die vorausschauend auch das mittlere Technologiesegment in den BRIC-Märkten adressieren", heißt es eindeutig in der PwC-Studie. Eine weitere strategische Option, die sich aus der Befragung der VDE-Mitgliedsfirmen ergeben habe: „Die für das mittlere Technologiesegment der BRIC-Märkte entwickelten Produkte können schließlich für den Export in den europäischen und US-amerikanischen Markt angepasst und dort zur ‚Markterweiterung nach unten‘ genutzt werden." Erkannt haben das die Unternehmen bereits, denn für die meisten sei die Internationalisierung mit Abstand das Thema Nummer 1 in den nächsten Jahren. Erst mit deutlichem Abstand folgten Innovation und Technologie sowie Kosten und Fachkräftemangel.
Doch wie steht es um den Midtech-Bereich im deutschen Maschinenbau? Können die Deutschen auch einfach, oder muss immer das Ingenieursherz jubeln? Was ist überhaupt ‚Midtech‘? PwC liefert dazu eine Matrix, die für die Merkmale Technologie, Individualisierung, Automatisierung, Produktivität und Preis jeweils ein bis fünf Punkte vergibt. Aus der erzielten Punktezahl, die maximal 25 betragen kann, ergibt sich die Einordnung, wobei PwC bis sieben Punkte den Lowtech- und ab 17 Punkte den Hightech-Bereich ansiedelt. Dazwischen liegen die Midtech-Maschinen. Allerdings empfiehlt PwC jetzt nicht durch die Bank allen Herstellern den Einstieg in den Midtech-Bereich.
So heißt es: „Größeren Unternehmen bietet die Internationalisierung hingegen die Chance, neben dem Hightech- auch das Midtech-Segment zu erschließen und damit stärker am Wachstum zu partizipieren. Entsprechende Produkte lassen sich beispielsweise in den Schwellenländern lokal entwickeln und kostengünstig herstellen." Für kleinere Unternehmen, und davon gibt es im stark mittelständisch geprägten Werkzeugmaschinenbau recht viele, könne es sinnvoll sein, „sich als Nischenanbieter zu profilieren und konsequent auf den Export von Hightech ‚Made in Germany’ zu setzen", empfiehlt Dr. Ralph Niederdrenk von PwC.
So sieht man das beispielsweise auch bei der Röders GmbH, kleiner aber feiner Hersteller von Hochgeschwindigkeitsfräsmaschinen in Soltau. „Daher konzentrieren wir uns auf bestimmte Anwendungen und versuchen, für diese Anwendungen Maschinen mit höchstmöglicher Leistung und Effizienz anzubieten; insofern sind wir klar dem Hightech-Segment zuzuordnen", erklärt Geschäftsführer Jürgen Röders. Das muss kein Nachteil sein, denn „die Konzentration auf bestimmte Anwendungen mit hoher Leistung und Effizienz wird von den Märkten in eigentlich allen Ländern honoriert." Der Diplomingenieur sieht aber durchaus den Trend zur Internationalisierung. So versuche man, „mit guten Partnern in den BRIC-Ländern präsent zu sein, in China sogar mit einer eigenen Tochtergesellschaft".
Etwas anders sieht das bei der Emag Holding GmbH, Salach, aus. Zwar dominiert auch dort der Anteil der Hightech-Maschinen, den Geschäftsführer Dieter Kollmar mit 80 Prozent beziffert, aber immerhin ein Fünftel bewege sich im Midtech-Bereich. Dabei definiert Emag Midtech, wenn nur eine Technologie wie Drehen oder Fräsen eingesetzt werde und die Maschine einen hohen Standardisierungsgrad aufweise. Das treffe bei Emag auf die VL-Baureihe zu, die auch auf der AMB in Stuttgart zu sehen sein werde. Die VL 2 P ist eine zweispindlige Vertikaldrehmaschine mit Pendeltechnik für Teile bis 100 mm Durchmesser. „Bei der VL 2 P steht klar die Reduzierung der Nebenzeiten im Fokus."
Der Trend gehe in Richtung Mid- und Hightechmaschinen, auch in den BRIC-Staaten, die derzeit noch von den Lowtech-Maschinen dominiert würden, wo der Anteil der Midtech-Maschinen aber stetig wachse. „Die Anforderungen an die Bauteilqualität und die Produktivität nimmt weltweit zu, daher steigen auch die Anforderungen an die Werkzeugmaschinen." Hinzu kämen verstärkt Peripherieprozesse wie beispielsweise Automatisierung, Teilehandling oder Entgratoperationen. Kollmar: „Daher kann man durchaus von einem Trend in Richtung einfacher automatisierter Fertigungssysteme sprechen, wobei wir schon länger eine Entwicklung weg von voll automatisierten Fertigungssystemen hin zu kleineren Fertigungszellen mit vereinfachter Automation beobachten."
Man führe das auf die immer größere Variantenvielfalt und die damit verbundene Fertigung in kleineren Losgrößen zurück. Bei der Klein- und Mittelserienproduktion ließen sich nun mal einfacher automatisierte Maschinen flexibler auf die verschiedenen Werkstücke anpassen. Produziert würden alle Maschinen zentral in der Werkzeugmaschinenfabrik Zerbst, die Anpassungen an die individuellen Kundenforderungen erfolgten aber neben Deutschland in den USA und China.
„Aufgrund der weltweit erkennbaren Tendenz: höher, schneller, leichter und dergleichen ist ein bestimmtes Anforderungsprofil für Maschinen mit einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit nur in Ausnahmefällen erkennbar", schränkt Herbert Klewenhagen, Geschäftsführer der SHW-Werkzeugmaschinen-GmbH, Aalen-Wasseralfingen, ein. Entscheidend sei allerdings auch die Branche, in der man sich bewege. So werde beispielsweise bei den vielen Lohnfertigern in Europa die Flexibilität groß geschrieben. Die hohen Anforderungen der Kunden an die Qualität der produzierten Teile „lässt keine großen Alternativen im Kostenbereich zu". So müsse immer der Gesamtprozess betrachtet werden, um die Investitionskosten möglichst niedrig zu halten, beispielsweise Maschinen, die ohne spezielles Fundament auskämen und – immer wichtiger – energieeffizient seien. Solche Lösungen werde man auch auf der kommenden AMB in Stuttgart zeigen.
SHW bewege sich mit seinen Maschinen zwar ausschließlich im Hightech-Bereich, eröffne aber durch ein Baukastensystem die Chance, vor allem in der Peripherie zu sparen. Klewenhagen: „Den Anteil solcher Standardmaschinen mit erkennbarer Kostenreduzierung sehen wir hier bei maximal 15 Prozent der Maschinen, wobei es sich dabei nicht um spezifische Maschinenmodelle handelt, da Variationsmöglichkeiten bei allen SHW-Maschinentypen gegeben sind." Gerade im Hinblick auf steigende Local-Content-Anforderungen in den BRIC-Staaten lasse SHW Maschinenausstattungen und -ausrüstungen wie Maschinenverkleidungen, Stahl-/Schweißkonstruktionen oder Zubehöreinrichtungen im Zielland fertigen. „Neben den logistischen Einsparmöglichkeiten sind Kosteneinsparungen bis zu 20 Prozent möglich." Die Maschine selbst komme aber weiter aus Deutschland, das „made in Germany erwarten unsere Kunden von jedem einzelnen Bauteil".
Auf etwa zehn Prozent des Umsatzes schätzt Peter Lütjens, Verkaufsleiter der Körber Schleifring GmbH in Hamburg, den Anteil der Midtech-Maschinen aus seinem Hause. Er sieht allerdings auch einen stark wachsenden Midtech-Markt gerade in Asien: „Dort verschiebt sich der Markt aufgrund des noch hohen Anteils des Lowtech-Bereiches derzeit stärker in Richtung Midtech als in Richtung Hightech. In Europa ist Lowtech kaum noch vorhanden, hier wächst entsprechend eher der Hightech-Bereich." Den Midtech-Bereich würden im Schleifring-Portfolio Maschinen wie die Flachschleifmaschine Blohm Orbit, die auf der AMB zu sehen sein soll, oder die Studer S20 und S30 sowie die Studer favoritCNC bedienen. „Das sind Maschinen, die nicht zusammen mit Verfahrenstechnologien verkauft werden", grenzt Lütjens ab. Auch bei den Schleifring-Unternehmen spiele die Internationalisierung eine große Rolle. „Daher sind wir auch in den BRIC-Staaten mit eigenen Niederlassungen aufgestellt, in China sogar mit einer eigenen Produktion, wo ein großer Teil unserer Midtech-Maschinen produziert wird."
Mehr Informationen zum VDW:
Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken | |
Corneliusstraße 4 | |
60325 Frankfurt am Main | |
Telefon +49 69 756081-0 | |
Telefax +49 69 756081-11 | |
E-Mail: vdw@vdw.de | |
www.vdw.de |
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