Rettet "grüner" Wasserstoff die Energiewende?
Mit Wasserstoff soll Klimaneutralität erreicht werden. Das ist eine Energieversorgung von Deutschland ohne Kohle, Erdöl, Erdgas und atomare Brennstoffe. Ist das möglich und bezahlbar? Prof. Dr. Ing. Hans-Günter Appel vom Stromverbraucherschutz NAEB gibt Antworten.
Als grün wird Wasserstoff bezeichnet, der aus einer Wasserelektrolyse stammt, die ausschließlich mit Wind- und Solarstrom arbeitet. (Der Stromverbraucherschutz NAEB nennt diesen Strom FAKEPOWER, weil er weder plan- noch regelbar ist.) Dieser Wasserstoff soll in Gaskraftwerken wieder Strom erzeugen, wenn es an Wind und Sonne mangelt. Das heißt, er soll als Stromspeicher dienen. Darüber hinaus soll Wasserstoff die derzeitigen Brennstoffe zum Heizen ersetzen und Basis zur Herstellung künstlicher Treibstoffe und anderer Chemieprodukte werden, die heute aus Erdöl stammen. Selbst Eisenerz soll mit Wasserstoff zu Eisen reduziert werden.
Dies alles ist technisch grundsätzlich möglich. Um Anlagen für den Einsatz von Wasserstoff zu entwickeln und zu erproben, will die Bundesregierung in den nächsten Jahren insgesamt 9 Milliarden Euro bereitstellen. Das ist ein Verschleudern von Steuergeldern. Denn die geplanten Verfahren sind durchweg unwirtschaftlich. Das kann jeder Fachmann berechnen. Stromkosten, die heute schon die höchsten in Europa sind, steigen kräftig weiter. Produkte aus grünem Wasserstoff kosten ein Vielfaches der Weltmarktpreise. Sie sind nicht wettbewerbsfähig. Das weiß auch die EU. Es wird laut darüber nachgedacht, durch Einfuhrzölle, genannt „Carbon border tax“, die teuren Inlandprodukte vor wesentlich preiswerteren Waren aus dem Ausland zu schützen.
Kosten
Etwa 30 Millionen Tonnen „grauer“ Wasserstoff (aus Erdgas und Erdöl) werden zurzeit weltweit vorwiegend in der chemischen Industrie gebraucht. (Der Energieinhalt entspricht einem Prozent des Weltenergiebedarfs.) Die Kosten liegen bei 2.000 bis 3.000 Euro/Tonne, das sind 5-8 Cent/Kilowattstunde (Ct/kWh) Wärme. „Grüner“ Wasserstoff, erzeugt durch Elektrolyse mit Wind- und Solarstrom, kostet 10.000 bis 12.000 Euro/Tonne, also 25-30 Ct/kWh.
Befürworter und Profiteure der Energiewende werden diese Zahl anzweifeln mit dem Hinweis, der Wind- und Solarstrom würde einschließlich der Leitung zur Elektrolyse höchstens 10 Ct/kWh kosten. Sie vernachlässigen die hohen Umwandlungsverluste der Elektrolyse von mehr als 30 Prozent und die hohen Kapitalkosten der gering ausgelasteten Anlagen, die nur mit Überschussstrom betrieben werden können. Selbst eine Verdreifachung der installierten Fakepower-Leistung führt im Mittel nur zu Stromüberschüssen an wenigen Tagen im Monat mit dann allerdings hohen Leistungen, die große Elektrolysen erfordern.
Bei der Wiederverstromung von „grünem“ Wasserstoff in Gaskraftwerken muss mit Energieverlusten von 60 Prozent gerechnet werden. Die Wiederverstromung des Wasserstoffs führt zu Kosten von 60-75 Cent/kWh. Der Aufwand für Speicherung und Transport des Wasserstoffs zum Gaskraftwerk sind hier noch nicht eingerechnet.
Flächen
Wind und Solarstrom sind vom Wetter abhängig. Ohne Wind und Sonne gibt es keine Fakepower. Wolken und schwache Winde verringern die Leistungen der Fakepower-Anlagen. Die mittlere Jahresleistung liegt daher deutlich unter der installierten Leistung, die nur bei optimalen Bedingungen erreicht wird. Windgeneratoren erzeugen in Deutschland etwa 20 Prozent der installierten Leistung. Bei Solaranlagen sind es nur 10 Prozent.
Wenn Wind und Sonne jeweils zur Hälfte die Stromversorgung übernehmen sollen, muss rechnerisch die installierte Windstromleistung von 60.000 auf 300.000 Megawatt (MW=1000 kW), also um das Fünffache, vergrößert werden. Für Solarstrom sind es wegen des geringeren Wirkungsgrades sogar 600.000 MW. Das ist ein Anstieg auf das 10-fache. Dann sind 6000 km⊃2; verspiegelt, knapp 2 Prozent der Landesfläche.
Es ist fraglich, ob eine so massive Zerstörung der Umwelt durchgesetzt werden kann. Die heute bereits laufenden fast 30.000 Windgeneratoren haben schon deutlich die Landschaft verspargelt und konterkarieren den Artenschutz von Vögeln und Fledermäusen.
Investitionen
Als Faustregel für Investitionen von Fakepower-Anlagen gilt: Windgeneratoren kosten je Megawatt installierter Leistung eine Million Euro. Fotovoltaik ist für die Hälfte zu haben.
Danach müssen für den beabsichtigten Ausbau der Windkraft- und Solaranlagen jeweils 240 Milliarden Euro aufgewendet werden, insgesamt 480 Milliarden. Dies sind aber nur die Kosten für die Stromerzeugungsanlagen. Hinzu kommen die Kosten für den Anschluss und den Transport im Netz mit Transformatoren und Gleichrichtern. Die Elektrolyse läuft mit Gleichstrom niedriger Spannung und hoher Stromstärke.
Weitere große Investitionen erfordern die riesigen Elektrolyseanlagen, die Verdichter für das Wasserstoffgas (zum Lagern sind Drücke von bis zu 700 bar notwendig) und die Kavernen in Salzstöcken zum Lagern des Gases.
Mehr Strom wird gefordert
Bisher wurden nur jene Kosten geschätzt, die entstehen, wenn der gegenwärtige Strombedarf ganz auf Fakepower umgestellt wird. Mit Fakepower sollen aber auch Elektroautos und Wärmepumpen angetrieben, mit „grünem“ Wasserstoff auch Treibstoffe und Kunststoffe erzeugt werden. Dafür müsste jedoch die Fakepower-Produktion kräftig ausgeweitet werden.
Allein für Elektroautos brauchen wir 30 Prozent mehr Strom. Die chemische Industrie veranschlagt den Stromverbrauch bei einer Umstellung auf Wasserstofftechnik auf 600 Milliarden kWh. Damit würde der heutige Strombedarf mehr als verdoppelt. Eine Umstellung auf Wärmepumpen zum Heizen dürfte in der gleichen Größenordnung liegen. Die Fakepower-Anlagen müssten gegenüber dem oben geschilderten Bedarf vervierfacht werden – eine utopische Aussicht mit Investitionskosten von fast 2.000 Milliarden Euro. Das ist die Hälfte des deutschen Jahresinlandsproduktes.
Keine sichere Stromversorgung
Die geplante Versorgung Deutschlands ohne fossile Brennstoffe und weitgehend oder gar ganz mit Fakepower erfordert nicht nur riesige Investitionen, sondern auch neue Regelanlagen, um das Stromnetz stabil zu halten und die Leistung auf den Bedarf einzustellen. Bisher wird die Netzfrequenz von den großen Kohlekraftwerken vorgegeben und gehalten. Schwankungen im Netz werden automatisch durch Änderung der Dampfzufuhr zu den Turbinen geregelt. Eine Netzregelung mit den vom Wetter gesteuerten Wind- und Solarstrom ist nicht möglich. Im Gegenteil. Die starken Fakepower-Schwankungen müssen zusätzlich zu den Bedarfsschwankungen ausgeglichen werden. Die Regelkosten haben sich durch Fakepower bereits verzehnfacht.
Der Bundestag hat beschlossen, die Kohlekraftwerke abzuschalten, ohne zu sagen, wie dann das Netz stabilisiert und geregelt werden soll. Wenn die großen Kraftwerke, wie beschlossen, stillgelegt werden, gehen wir mit hoher Sicherheit flächendeckenden Stromausfällen (Blackout) entgegen.
Wasserstoff ist keine Lösung
„Grüner“ Wasserstoff als Stromspeicher verteuert den Speicherstrom um das 5-fache. Als Grundstoff für Chemieprodukte und Treibstoffe muss mit dem gleich hohen Kostenanstieg gerechnet werden. Auch als Brennstoff zum Heizen ist eine 5-fache Verteuerung die Folge.
Wasserstoff für die Stahlherstellung ist ein Rückschritt in das Altertum. Damals konnte man Eisenerz nur im festen Zustand mit Holzkohle gewinnen. Das Ergebnis war ein poröser mit Schlacke durchsetzter Eisenklumpen. Mit Wasserstoff reduziertes Eisenerz ergibt poröses festes Eisen ähnlich dem Produkt unserer Vorväter. Es ist nicht möglich, im Gegensatz zum mit Koks betriebenen Hochofen, mit Wasserstoff f l ü s s i g e s Eisen zu erzeugen. Wasserstoff kann nur unterhalb von 1000 °C mit Sauerstoff zu Wasserdampf reagieren, also Eisenerz reduzieren. Über 1000 °C dissoziiert Wasserdampf. Er wird in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Eisen schmilzt aber erst bei 1536 °C.
Die Eisenherstellung mit Wasserstoff muss im festen Zustand unterhalb von 1000 °C geschehen. Dazu wird das Erz fein gemahlen und in geschlossenen Behältern auf 800 bis 900 °C erhitzt. Nach Spülen mit Stickstoff, um den Luftsauerstoff zu entfernen, wird Wasserstoff eingeleitet und der entstandene Wasserdampf abgeführt. Im Behälter bleiben die zusammengesinterten Eisenkügelchen zurück, der Eisenschwamm. Dieser Eisenschwamm wird im Lichtbogenofen aufgeschmolzen und mit Kohlenstoff und anderen Elementen zu den gewünschten Stahlqualitäten legiert. Dieser diskontinuierliche Prozess erfordert viel Energie und Fläche. Weit mehr als die heutigen Hochöfen.
Fazit: Die derzeitigen Vorschläge zur Wasserstoffherstellung und dessen Nutzung für die Stahlindustrie, die chemische Industrie und die Verstromung sind nicht durchdacht. Man setzt auf zukünftigen Ideenreichtum und damit einhergehende technische Lösungen. Auf dieser Basis neun Milliarden Euro zu genehmigen ist grob fahrlässige Verschwendung von Steuergeldern. Die dafür verantwortlichen Entscheidungsträger müssen haftbar gemacht werden.
Mehr Informationen zu NAEB e.V.:
NAEB e.V. Stromverbraucherschutz | |
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Fax: 05241 702909 | |
Tel.: 0171 3364683 | |
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