Kein Herz für Kinder
Krankenhäuser im Visier von Geldmachern
Warum können ein privat geführtes Krankenhaus oder ein börsennotierter Klinikkonzern Profite machen und zehn Prozent Rendite an Anteilseigner ausschütten, und warum stürzt dagegen ein öffentlich geführtes Krankenhaus nach dem andern in die Insolvenz? Dr. med. Bernd Hontschik kennt die Antwort. Sie lautet: Es sind immer die gleichen drei Schritte zum Profit.
Der erste Schritt ist die Kündigung der Tarifverträge. Dem Personal werden sogenannte Notlagentarifverträge aufgezwungen, die mit erheblichen Lohneinbußen verbunden sind. Als Patient:in merkt man davon noch nicht viel. Der zweite Schritt ist die Reduktion des Personals auf das absolute Mindestmaß, also Kündigungen, Versetzungen, Stellenstreichungen.
Es entstehen Arbeitshetze und Zeitdruck, hoher Krankenstand und vermehrte Kündigungen. Es folgt der dritte Schritt: Da das Krankenhausfinanzierungssystem jede einzelne Diagnose mit einer festgelegten Geldsumme vergütet, wird nun Klinik für Klinik, Station für Station analysiert, und wenn deren Erlöse die Ausgaben nicht decken, werden diese Stationen oder ganze Kliniken verkleinert oder geschlossen.
Von da an ist zwar Schluss mit roten Zahlen, aber auch mit der Erfüllung des Versorgungsauftrags. Im Dezember vergangenen Jahres schlugen 31 Kinderärzte in Wiesbaden mit einer ungewöhnlichen Zeitungsanzeige Alarm. Sie berichteten von skandalösen Zuständen an der dortigen Horst-Schmidt-Klinik: „Im Jahr 2019 standen weniger als 50 Betten für die Versorgung kranker Kinder zur Verfügung, 2015 waren es 105 Betten. Das bedeutet, dass jeden Tag Kinder nicht in Wiesbaden aufgenommen werden können und an andere Kliniken weiterverwiesen werden müssen.“
Seit vor mehr als 25 Jahren die Fallvergütung eingeführt worden ist, mussten bundesweit rund ein Viertel aller Kinderkliniken und Kinderabteilungen aufgegeben werden, vierzig Prozent der kinderklinischen Betten wurden abgebaut. Zeitaufwand und Zuwendung, eine Selbstverständlichkeit besonders in der Kindermedizin, kennt das Fallpauschalensystem nicht. Es kennt, wie der Name schon sagt, nur den Fall.
Dass Eltern mit einem kranken Kind kilometerweit in eine andere Stadt fahren müssen, weil für ihr Kind vor Ort kein Bett vorhanden ist, ist ein Skandal. Und es ist genau das Gegenteil von dem, was der damalige Hessische Sozialminister und Arzt Dr. Horst Schmidt mit seinem Konzept der Hessenkliniken erreichen wollte, wo Patienten wohnortnah und ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zu einer privaten oder gesetzlichen Krankenkasse in gleicher Weise untergebracht und versorgt werden sollten.
Horst Schmidt ist 1976 als Ersthelfer bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Er hätte dem Missbrauch seines Namens durch einen börsennotierten Klinikkonzern niemals zugestimmt.
Der vor wenigen Tagen im Alter von fast einhundert Jahren verstorbene berühmte amerikanische Kardiologe Bernard Lown hat all das einmal so auf den Punkt gebracht: „Ein profitorientiertes Gesundheitswesen ist ein Oxymoron, ein Widerspruch in sich. In dem Augenblick, in dem die Fürsorge dem Profit dient, hat sie die wahre Fürsorge verloren.“
Mehr Informationen zu Dr. Hontschik:
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