Energiewende. Utopie und Realität
Die geforderte Leistung wird nicht gedeckt
Zur Bundestagswahl überboten sich alle Parteien bis auf die AfD, wer schneller für Klimaneutralität sorgen wird. Ist das überhaupt erreichbar und finanzierbar? Prof. Dr. Ing. Hans-Günter Appel, Pressesprecher NAEB e.V., klärt auf.
Als klimaneutral wird eine Energieversorgung ausschließlich aus Sonnenenergie bezeichnet. Die Energieformen sind Sonnenstrahlen, Wind, Biomasse und Wasser. Grundsätzlich ist das möglich. Von der Sonnenenergie, die auf die Erde trifft, benötigen wir weltweit nur 0,02 Prozent. Wenn wir nur etwas von der reichlichen Sonnenenergie durch unseren Lebensbereich leiten, müssten wir alle Energiesorgen los sein. Mit diesem Argument zog und zieht der Theologe und Journalist Franz Alt durch die Lande und wirbt für die „Erneuerbaren“. Die Realität macht jedoch Schwierigkeiten.
Die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, Kerstin Andreae (Bündnis 90 - Die Grünen), prognostiziert einen Anstieg des Stromverbrauchs bis 2030 um 15 Prozent bei gleichzeitiger Abschaltung der Kern- und Kohlekraftwerke. Die Prognose ist sehr zurückhaltend, denn zusätzlich sollen die Heizungen auf Wärmepumpen und die Autos auf Elektroantrieb umgestellt werden. Weiter wird auch noch die technisch und wirtschaftlich unsinnige Erzeugung von Wasserstoff aus „grünem“ Strom angestrebt.
Der Ersatzstrom für die abzuschaltenden Kraftwerke und der zusätzlich benötigte Strom sollen von Wind- und Solaranlagen geliefert werden. Wind- und Solarstrom werden von Fachleuten als Fakepower bezeichnet, weil sie weder plan- noch regelbar sind. Die derzeitigen Anlagen sollen verdreifacht und die Stromnetze ausgebaut werden.
Eine Vollversorgung Deutschlands mit den sogenannten erneuerbaren Energien ist nicht möglich. (Energie ist nicht erneuerbar, sondern kann nur in eine andere Form umgewandelt werden, zum Beispiel Arbeit in elektrische Energie oder Strahlung in Wärme.) Dies ergibt eine Überschlagsrechnung vom Stromverbraucherschutz NAEB. Dazu wurden folgende gerundete Daten für Deutschland verwendet.
Primärenergiebedarf: 4.000 Milliarden Kilowattstunden (kWh) im Jahr (50.000 kWh/Einwohner im Jahr)
Davon:
- Strom: 600 Milliarden kWh
- Treibstoff: 600 Milliarden kWh
- Wärme: 1.200 Milliarden kWh
- Rest: Verluste durch Umwandlung
Deutschland Fläche: 350.000 qkm
Einwohner: 80 Millionen
Zu den „erneuerbaren“ Energien werden gezählt: Biomasse, Wasserkraft, Sonnenstrahlung und Wind. Erdwärme hat keine wirtschaftliche Bedeutung.
Deckung des Jahresbedarfs:
Biomasse: Die Biomasse, die auf einem Hektar erzeugt wird, ergibt einen Primärenergieertrag von rund 50.000 kWh im Jahr, also die Energiemenge, die ein Einwohner im Jahr verbraucht. Die Bevölkerungsdichte liegt aber deutlich über zwei Einwohner/Hektar. In Deutschland könnte nur die Hälfte der benötigten Energie als Biomasse erzeugt werden. Biomasse als Energieträger ist jedoch viel geringer, weil die Ackerflächen weitgehend zur Nahrungserzeugung genutzt werden. Das Holz der Wälder wird zum Haus- und Möbelbau und für die Papierherstellung verwendet. Restholz wird lokal verbrannt. Die angelaufene Förderung der Holzverbrennung in Heizkraftwerken stößt auf einen Holzmangel und muss zwangsläufig zu einem Raubbau an unseren Wäldern führen.
Wasserkraft: Hier sind die Zahlen noch ungünstiger. Wenn man eine Regenmenge von 600 mm im Jahr und eine mittlere Fallhöhe von 250 m zugrunde legt, können nur 4 Prozent der Primärenergie oder 25 Prozent des Strombedarfs gedeckt werden. Die nutzbare Wasserkraft ist viel geringer.
Solarenergie: Auf der Fläche von Deutschland könnte mit Fotovoltaik ein Vielfaches der benötigten Primärenergie gewonnen werden. 12 Prozent der Landesfläche könnten den gesamten Jahresbedarf decken. Das entspricht etwa der durch Siedlungen und Straßen versiegelten Flächen.
Wind: Zurzeit liefern über 30.000 Windstromanlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 50.000 Megawatt etwa 12 Prozent des Strombedarfs. Zur Erzeugung des Jahresstrombedarfs müsste die Leistung 8-mal höher sein, also 400.000 Megawatt. Die Zahl der Generatoren würde sich auf 120.000 erhöhen, wenn nur noch große 3-MW-Anlagen errichtet werden. Zum Vergleich: 80 Kohle- oder Kernkraftwerke liefern die gleiche Strommenge mit weit weniger als einem Zehntel der versiegelten Fläche.
Deckung der Leistung
Mit Solar- und Windstrom könnte der Jahresbedarf, nicht jedoch die geforderte Leistung, gedeckt werden. Leistung ist die Energie pro Sekunde. Windstärke und Sonneneinstrahlung bestimmen die Leistung der Solar- und Windanlagen. Bei Starkwind und Sonnenschein ist sie schon jetzt zu hoch. Dann muss der überschüssige Strom entsorgt werden. Das führt zu negativen Preisen an der Strombörse. Abnehmer bekommen noch Geld für die Entsorgung des Überschußstroms. In windstillen Nächten ist die Leistung der Anlagen Null. Dann muss der Strom aus anderen Quellen kommen. Wie wird das erreicht?
Einfach wäre der Einbau von Speichern in das Netz, die überschüssige Leistungen aufnehmen und bei Bedarf Leistungen wieder abgeben. Leider gibt es solche Speicher mit der erforderlichen Kapazität und Wirtschaftlichkeit nicht. Die Behauptung von der Grünen Kanzlerkandidatin, Annalene Baerbock: „Überschüssiger erneuerbarer Strom wird im Netz gespeichert. Das ist alles berechnet.“ ist physikalischer Unsinn.
Die vom Wetter gesteuerten Wind- und Solaranlagen können ihren Strom nur in ein intaktes Netz mit mindestens 45 Prozent Grundstrom aus den großen Kraftwerken einspeisen. Die Kraftwerke stabilisieren die Netzfrequenz mit den rotierenden Massen der Generatoren (Momentan-Reserve) und regeln die Leistung nach Bedarf. Bei Dampfkraftwerken geschieht das durch automatische Änderung der Dampfzufuhr zur Turbine bis die Sollfrequenz wieder erreicht ist. Die großen konventionellen Kohle-, Gas-, Wasser- und Kernkraftwerke sind dazu hervorragend geeignet. Die kleinen Biogas- und Laufwasserkraftwerke haben für eine effiziente Netzregelung eine zu geringe Leistung. Ohne Kraftwerke kann ein stabiles Netz nicht aufgebaut und aufrechterhalten werden.
Utopische Vorstellungen
Die Bundesregierung und viele Politiker können offensichtlich Energie und Leistung nicht unterscheiden. Sie glauben, die Energieversorgung wäre gesichert, wenn im Jahr eine ausreichende Energiemenge erzeugt wird. Das ist realitätsfern. Wir müssen in jeder Sekunde die Energiemenge bereitstellen, die gebraucht wird. Das ist die geforderte Leistung. Sie wird nur mit einer ausreichenden Kraftwerkskapazität ermöglicht. Eine klimaneutrale Stromversorgung nur mit Wind- und Sonnenenergie ist utopisch. An dieser Tatsache ändern auch Bundestagsabstimmungen und Gesetze nichts. Physikalische Gesetze kann man nicht überstimmen.
Mehr Informationen zu NAEB e.V.:
NAEB e.V. Stromverbraucherschutz | |
Georg-Buechner-Weg 3 | |
33335 Gütersloh | |
Fax: 05241 702909 | |
Tel.: 0171 3364683 | |
E-Mail: info@naeb.info | |
www.naeb.info |
War dieser Artikel für Sie hilfreich?
Bitte bewerten Sie diese Seite durch Klick auf die Symbole.
Zugriffe heute: 2 - gesamt: 2895.