Grün war die Hoffnung
An wem scheitert der Rückkauf der Uni-Kliniken?
Weder die Hilferufe des ärztlichen und pflegerischen Personals noch ein Rechtsgutachten über die Rückkauf-Möglichkeiten des Klinikums Gießen/Marburg noch eine Rückkauf-Petition haben bisher veranlasst, dass die Politiker dieses Thema zu ihrer Agenda nehmen. Dr. med. Bernd Hontschik erläutert die Details.
Elf Jahre, von 1999 bis 2010, war Roland Koch hessischer Ministerpräsident. Die Erinnerung an ihn ist aber noch lange nicht verblasst, zu viele Wunden sind nicht verheilt: Unvergessen die Vernichtung der Existenz von vier Steuerbeamten mit Hilfe manipulierter psychiatrischer Gutachten, weil sie kurz davor standen, mit ihren Ermittlungen der Deutschen Bank auf die Füße zu treten; unfassbar die unverfrorene Lüge von „jüdischen Vermächtnissen“, um CDUSchwarzgelder zu vertuschen; unglaublich der Bruch des vor der Landtagswahl 2003 gegebenen Versprechens eines Nachtflugverbots; unheimlich bis heute die Vertuschung der düsteren Rolle des hessischen Verfassungsschutzbeamten Temme bei dem NSU-Mord an Halit Yozgat in Kassel am 6. April 2006.
Und unerhört, dass sein Nachfolger Volker Bouffier (auch CDU) ihm dafür 2017 die Wilhelm-Leuschner-Medaille verliehen hat, die höchste Ehre und Auszeichnung des Landes Hessen.
Selbst im Gesundheitswesen hat Roland Koch verbrannte Erde hinterlassen. Nach der Fusion der Universitätskliniken Marburg und Gießen 2005 wurden alsbald 95 Prozent der Geschäftsanteile für 112 Millionen Euro an den Rhön-Klinikkonzern verkauft. Während bundesweit Krankenhäuser rote Zahlen schrieben, versprachen die Rhön-Kliniken ihren Aktionären eine Rendite von zehn Prozent. Und sie hielten ihr Versprechen! Woher kommen diese zehn Prozent? Dazu muss man Tarifverträge mit Füßen treten, unrentable Abteilungen schließen, auf Teufel komm raus Personal einsparen und Fremdleistungen von Lohndrücker-Firmen in Anspruch nehmen.
Die Privatisierungswelle von Krankenhäusern hat bundesweit viel Unheil angerichtet, aber der Verkauf zweier Universitätskliniken an einen börsennotierten Klinikkonzern war und ist der Gipfel, ein absolutes Novum. So etwas hatte es bis dahin europaweit noch nie gegeben. So etwas hat es
aber auch danach nie wieder gegeben, denn dieses Konzept ist grandios gescheitert. Alle Warnungen wurden in den Wind geschlagen. Ein Gutachten des Deutschen Hochschulverbandes, einer Vereinigung von über 30.000 Hochschul-Wissenschaftlern, stellte schon 2013 fest: „Die Erfahrungen am Klinikum Gießen/Marburg haben gezeigt, dass die von dem privaten Unternehmen geforderten Renditeerwartungen mit den Aufgabenfeldern eines Universitätsklinikums nicht in Einklang zu bringen sind.“ Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Die Forderungen nach einem Rückkauf der Universitätskliniken durch das Land Hessen sind nie verstummt, waren aber schon lange nicht mehr so laut wie zur Zeit. Inzwischen hat der Rhön-Konzern die beiden Universitätskliniken an den Asklepios-Konzern verkauft. Nichts ist dadurch besser geworden, im Gegenteil. Wieder und wieder verlassen ganze Gruppen von ärztlichem und Pflegepersonal die Universitätskliniken wegen unzumutbarer Arbeitsbedingungen. Stationen müssen geschlossen werden.
Die hessische Landesregierung hat einen möglichen Rückkauftermin sang und klanglos verstreichen lassen. Das ist schon deswegen nicht zu verstehen, weil nicht nur die SPD in Stadt und Land jahrelang den Rückkauf gefordert hatte, sondern besonders laut auch die Grünen.
Heute sind drei Minister der hessischen Landesregierung für die Universitätskliniken Gießen/Marburg zuständig: der Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne), der Sozialminister Kai Klose (Grüne) und die Wissenschaftsministerin Angela Dorn (Grüne). Sie stellen sich taub. Weder die Hilferufe des ärztlichen und pflegerischen Personals noch ein Rechtsgutachten über die Rückkauf-Möglichkeiten noch eine von inzwischen über 17.000 Bürger und Bürgerinnen unterstützte Rückkauf-Petition haben sie bisher veranlasst, das Thema auf ihre Agenda zu nehmen.
Grün ist die Hoffnung, heißt es. In Hessen und in der Gesundheitspolitik ist Grün bisher eine herbe Enttäuschung.
Mehr Informationen zu Dr. Hontschik:
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