Tragzahlen können trügerisch sein
Die reale Lagerleistung im Fokus
Dynamische Tragzahlen gelten als die maßgeblichen Parameter zur Beurteilung der Lagerleistung. Allerdings können die Tragzahlen, die verschiedene Hersteller in ihren jeweiligen Katalogen angeben, irreführend sein – wie SKF bei herstellerübergreifenden Vergleichstests von Kegelrollenlagern herausgefunden hat.
Kegelrollenlager kommen meist in hoch belasteten Anwendungen zum Einsatz. Sie eignen sich beispielsweise für Pkw-, Lkw- und Industriegetriebe, für Aufgaben in der Montan- und Windenergieindustrie sowie zur Nutzung in der Fördertechnik. Unabhängig vom jeweiligen Verwendungszweck weisen derartige Lageranwendungen hohe kombinierte Radial- und Axialbelastungen auf. Außerdem erfordern sie einen Betrieb mit hoher Steifigkeit.
Zuverlässigkeit und Langlebigkeit sowie die Fähigkeit, extremen Bedingungen standzuhalten, sind ebenfalls wichtige Kriterien. Oft leiden die Kegelrollenlager zudem unter verschmutzten beziehungsweise widrigen Umgebungen, wo sie dennoch für eine größtmögliche Maschinenverfügbarkeit sorgen sollen.
Die Tragzahl im kritischen Blick
Um die entsprechenden Lager verschiedener Hersteller vergleichen zu können, achten die Konstrukteure insbesondere auf deren Tragzahlen. Tatsächlich ist die dynamische Tragzahl auch entscheidend für die Berechnung der nominellen Lagerlebensdauer. Dies lässt sich anhand der Lebensdauergleichung veranschaulichen: Gemäß ISO 281 wird die nominelle Lebensdauer eines Radial-Rollenlagers nach folgender Formel berechnet:
L10 = nominelle Lebensdauer (mit 90-prozentiger Erlebenswahrscheinlichkeit)
Cr = dynamische radiale Tragzahl
Pr = dynamische äquivalente radiale Belastung
Dabei fußt die Berechnung der dynamischen radialen Tragzahl für Radial-Rollenlager gemäß der Norm ISO 281 auf folgender Formel:
Cr = dynamische radiale Tragzahl
bm = Beiwert für Lagerbauart (Wert von 1,1 für Kegelrollenlager)
fc = Faktor für Werkstoff / Geometrie / Maß
i = Anzahl der Rollenreihen
Lwe = effektive Rollenlänge
Alpha = Berührungswinkel
Z = Anzahl der Rollen pro Reihe
Dwe = mittlerer Rollendurchmesser
Daraus lässt sich die Bedeutung von fc als Leistungsfaktor deutlich ablesen: Beispielsweise bewirkt ein Leistungsfaktor von 1,23 eine doppelt so lange nominelle Lebensdauer L10.
Interessante Ergebnisse
Um der Aussagekraft von Tragzahlwerten auf den Grund zu gehen, hat SKF umfangreiche Benchmark-Tests mit verschiedenen Ausführungen von Kegelrollenlagern durchgeführt. Als repräsentatives Beispiel dient im Folgenden ein Lager vom Typ 32011 X.
Die entsprechenden Vergleichstests simulierten zwei Einsatzfälle: saubere und verschmutzte Betriebsbedingungen. Die Tests unter sauberen Bedingungen erfolgten mit fabrikneuen Lagern und unbenutztem Schmieröl, während bei den Tests unter verschmutzten Bedingungen dem Schmieröl für eine Einlaufphase Schmutzteilchen beigefügt wurden. Nach dieser Einlaufphase wurde das verschmutzte Schmieröl entfernt und die Lager wurden bis zum Lagerausfall mit sauberem Schmieröl betrieben.
Bei den Lebensdauer-Tests ergab sich folgendes Bild: Die SKF Kegelrollenlager schnitten – trotz ihrer niedrigeren Katalog-Tragzahlen – nicht nur in den Testläufen unter sauberen, sondern auch in den „Stresstests“ unter verschmutzten Bedingungen deutlich besser ab als die Wettbewerbslager mit höher angegebenen Tragzahlen.
Neben den Benchmark-Lebensdauertests wurden mit dem Lagertyp 32011 X auch Drehzahleignungstests durchgeführt. Vor Beginn der Rotation wurde eine rein axiale Belastung von 2,3 kN auf das Prüflager aufgebracht. Dann wurden verschiedene Drehzahlstufen von 2 000 min-1 bis 9 000 min-1 in Schritten von 1 000 min-1 angewandt. Hier liefen die SKF-Lager in sämtlichen Drehzahlbereichen mit den niedrigsten Temperaturen. Die Temperaturunterschiede nahmen bei höheren Drehzahlen zu. An der höchsten Drehzahlgrenze lag die mittlere Temperatur der SKF-Lager um 11,5 Grad Celsius unter der mittleren Lagertemperatur des nächstbesten Wettbewerbslagers (CC 2). Bei Drehzahlen ab 4 000 min-1 liefen die Wettbewerbslager bei zunehmend höheren Durchschnittstemperaturen als die von SKF.
Die Vergleichstests haben gezeigt, dass sich die SKF-Kegelrollenlager in Bezug auf Gebrauchsdauer und Drehzahleignung zum Teil deutlich von ihren vermeintlich leistungsstärkeren Konkurrenten absetzen können – trotz ihrer geringeren „Katalog-Tragzahlen“. Daras lässt sich schlussfolgern, dass die angegebenen Tragzahlen keinen wirklich „objektiven“ Vergleich der realen Lagerleistung erlauben. Insofern sollten die Konstrukteure bei der Lagerauswahl gewissenhaft prüfen, worauf genau die Tragzahl-Berechnungen der verschiedenen Zulieferer basieren und ob diese mit ISO 281 übereinstimmen.
Im Prinzip können die Tragzahlen leicht nachvollzogen werden, indem die Abmessungen der Lagerkomponenten mit einfachen Verfahren gemessen werden. Denn je belastbarer und zuverlässiger die Tragzahlangaben sind, desto höher kann die Leistungsdichte und Zuverlässigkeit in der jeweiligen Anwendung sein.Zugleich sind die Wälzlager-Hersteller gefordert, ihre Tragzahl-Angaben mit Testergebnissen zu belegen. Zum Vorteil der Kunden sollten sie Lösungen entwickeln, die die tatsächliche Leistungsfähigkeit von Wälzlagern im praktischen Anwendungsfall besser vergleichbar und damit letztlich auch realitätsnäher abbilden.
Mit diesem Ziel vor Augen hat SKF ihr Wälzlager-Sortiment in der SKF Explorer-Leistungsklasse entsprechend aktualisiert. Es umfasst nun alle bisherigen TQ-Line-Kegelrollenlager und eine Vielzahl weiterer Lager. Zu den wichtigsten Vorteilen der SKF Explorer-Leistungsklasse gehören unter anderem eine erhöhte Zuverlässigkeit, gesteigerte Produktivität, weniger vorzeitige Ausfälle, niedrigere Geräusch- und Schwingungspegel, Downsizing-Möglichkeiten sowie ein geringerer Schmierstoff- und Energieverbrauch.
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Diesen Artikel finden Sie auch in Heft 5/2020 auf Seite 90. Zum besagten Heft führt ein Klick auf den nachfolgenden Button!
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