Dem Erdmagnetfeld auf der Spur
Das Dresdyn-Projekt im Blick
Dass die Erde ein Magnetfeld besitzt, ist wohl den meisten Menschen bekannt. Doch gibt es im Weltall andere Planeten, Sterne und ganze Galaxien, die ebenso Magnetfelder besitzen, deren Entstehung Rätsel aufgibt. Das Dresdyn-Projekt des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) soll das Geheimnis lüften.
Unsere Erde ist ein sehr bemerkenswerter Planet mit vielen außergewöhnlichen Merkmalen, wie sie im Weltall wohl nur sehr selten ein zweites Mal vorkommen. Schon die Anwesenheit unseres Mondes ist ein Wunder, stabilisiert dieser doch die Erdachse, sodass Jahreszeiten entstehen konnten, die mit gleichmäßigen Tag- und Nachtzyklen einhergehen. Auf diese Weise wurden extreme Temperaturzonen auf den Kontinenten verhindert, sodass schlussendlich Leben an Land entstehen konnte.
Da die Erde über ein Magnetfeld verfügt, ist außerdem ein gewisser Schutz vor kosmischer Strahlung gegeben. Doch dieses Magnetfeld ist nicht auf Dauer stabil. Schon mehrmals gab es im Laufe der Erdgeschichte Umpolungen des Erdmagnetfeldes, wodurch kosmische Strahlung weitgehend ungehindert die Erdoberfläche erreichen konnte. Die Existenz des Magnetfeldes beruht auf der komplexen Bewegung des flüssigen äußeren Erdkerns, der im Wesentlichen aus Eisen besteht.
Wenn dieses Eisen am festen inneren Erdkern erstarrt, geraten die im äußeren Erdkern verbleibenden leichteren Elemente – insbesondere Silizium – unter die Wirkung einer Auftriebskraft. Gemeinsam mit den durch die Rotation der Erde bedingten Kräften bewirkt diese eine schraubenförmige Strömung, die über den homogenen Dynamoeffekt das Magnetfeld der Erde produziert. Während der strukturelle Aufbau des Erdinneren aus seismischen Messungen sehr gut bekannt ist, sind die Details der Strömungen, die das Magnetfeld erzeugen, weitgehend unverstanden. Auch mit modernsten Großrechnern ist die Forschung immer noch weit davon entfernt, die Strömungsstruktur realistisch zu modellieren.
Ungelöstes Rätsel
Das letzte Mal hatte sich das Erdmagnetfeldvor 780.000 Jahren umgepolt. Angesichts einer mittleren Umpolungsrate von etwa drei pro Jahrmillionen ist die nächste eigentlich schon längst überfällig. Die Frage, warum und wie Umpolungen stattfinden, ist eines der großen ungelösten Rätsel der Geophysik. Forscher des HZDR wollen dem nun mit einer gigantischen Maschine auf den Grund gehen und den Schleier dieses Phänomens lüften.
Das sogenannte Dresdyn-Projekt soll präzisere Aufklärung bringen, wie das Erdmagnetfeld im Detail entsteht und warum es gelegentlich umklappt. Zum Nachweis der Dynamotheorie des Erdmagnetfeldes wurden bereits verschiedene Experimente durchgeführt. Darunter ist beispielsweise das ›Rigaer Dynamoexperiment‹, in dem flüssiges Natrium, eingeschlossen in einem drei Meter hohen, 0,8 Meter Durchmesser messenden Stahlbehälter, durch einen Propeller in Drehung versetzt und in einer schraubenförmigen Bewegung nach unten gepumpt wird. Dort wird es umgelenkt und durch ein zweites konzentrisches Rohr geradlinig nach oben geleitet, wo es wieder in die Propellerregion eintritt.
Nachweis gelungen
Im November 1999 wiesen Forscher mit diesem Experiment erstmalig nach, dass es tatsächlich möglich ist, mit einer einzigen schraubenförmigen Bewegung eines Flüssigmetalls ein Magnetfeld zu erzeugen. Beinahe gleichzeitig mit dem Rigaer Experiment wurde der homogene Dynamoeffekt auch in Karlsruhe nachgewiesen, hier allerdings durch das Zusammenwirken von 52 mit Natrium durchströmten „Spin-Generatoren“, die gemeinsam ein großskaliges Magnetfeld erzeugten, ganz ähnlich, wie man es sich im äußeren Erdkern vorstellt.
Das dritte der bisher erfolgreichen Dynamoexperimente ist das VKS-Experiment in Cadarache (Frankreich), in dem eine Natriumströmung durch zwei gegenläufig rotierende Propeller erzeugt wird. In Abhängigkeit vom Rotationsverhältnis dieser beiden Propeller konnten hier sogar Umpolungen und Exkursionen beobachtet werden. Ein „Schönheitsfehler“ dieses Experimentes bestand allerdings darin, dass der Dynamoeffekt nur bei Verwendung ferromagnetischer Propeller zustande kam, was die Aussagekraft der Ergebnisse für die ursprüngliche geophysikalische Problemstellung stark relativiert.
Aufbauend auf diesen Erfahrungen wird mit dem Dresdyn-Projekt ein weiterer Weg beschritten, ein Magnetfeld in einer Flüssigmetallströmung zu erzeugen, um mehr über das Phänomen zu erfahren. Dazu wird ebenfalls flüssiges Natrium verwendet, das zunächst in drei Tanks auf etwa 130 Grad Celsius erhitzt wird.
Beachtliche Ingenieurleistung
Da Natrium eine Schmelztemperatur von 97 Grad Celsius besitzt, ist es bei dieser Temperatur flüssig, sodass es in einen großen Zylinder gepumpt werden kann, wo insgesamt 8 000 Kilogramm Natrium in Drehung versetzt wird. Der Rotationsbehälter wird sich mit bis zu 600 Umdrehungen pro Minute um seine Längsachse drehen.
Das Besondere dieser Konstruktion ist, dass der rotierende Zylinder sich nicht nur um seine Längsachse dreht, sondern simultan auch um eine zweite Achse, deren Winkel zur Senkrechten zudem noch motorisch verstellbar ist.
Diese zweite Rotation kann bis zu 60 Umdrehungen pro Minute betragen, sodass eine große Variabilität gegeben ist, die Magnetfeldselbsterregung im strömenden Natrium zu untersuchen. Die geophysikalische Motivation für diese doppelte Rotation liegt in der Präzessionsbewegung der Erde, deren Rotationsachse selbst mit einer Periode von etwa 26 000 Jahren um die Senkrechte zur Ekliptik präzediert.
Hohen Kräften trotzen
Die bei der Präzession auftretenden Kreiselkräfte sind enorm und würden einen als Schweißkonstruktion ausgeführten Unterbau zerstören, wie vorab eine FEM-Simulation aufzeigte. Aus diesem Grund wurde dieser Ring im spanischen Bilbao bei einem Unternehmen gegossen, das solch große Gussteile herstellen kann. Die ganze Anlage ruht auf einem Fundament, dessen Säulen 22 Meter ins Erdreich ragen, schließlich wollen Kreiselmomente von etwa zehn Millionen Newtonmeter weggesteckt werden.
Da normale Lager für diese Belastungen nicht ausgelegt sind, wurden von SKF Sonderlager entwickelt, die den Belastungen gewachsen sind. Um den Zylinder in Drehbewegung zu versetzen, kommt ein modifizierter E-Lok-Motor zum Einsatz, der eine Leistung von 900 kW besitzt. Dessen Achse wurde hohlgebohrt, um die Fliehkraft zu reduzieren. Das Natrium wird in Tanks, die sich in einem separaten Lagerraum befinden, erhitzt und mithilfe von Argon in den Experimentierzylinder gepumpt.
Zwei Hochleistungsaggregate versorgen während des Betriebs die hoch belasteten Lager mit Schmiermittel, damit diese nicht während des Betriebs ausfallen, was bei den herrschenden Fliehkräften fatal wäre.Da Natrium mit Sauerstoff reagiert, stehen 14 Tonnen Flüssig-Argon bereit, falls trotz aller Vorsicht es doch zu einem Brand kommen sollte. Während des Experiments ist das Containment, das über dicke Panzerglasscheiben zur Beobachtung des Experiments verfügt, hermetisch verschlossen. Natürlich gibt es auch ein Notstromaggregat, das es ermöglicht, die Anlage bei Stromausfall sicher herunterzufahren.
Unverstandenem auf der Spur
Nun stellt sich die Frage, was mit dem gewonnenen Wissen, Magnetfelder in einer Natriumströmung zu erzeugen, für ein Nutzen verbunden ist. Wie schon erwähnt, liegt dieser beispielsweise darin, den Umpolungsprozess des Erdmagnetfeldes besser zu verstehen. Neben der Präzession spielen hier auch andere Variationen von Erdbahnparametern eine Rolle: beispielsweise ist der 95 000-Jahres-Zyklus der Erdbahnexzentrizität in der Häufigkeitsverteilung der Lücken zwischen den Umpolungen gut sichtbar.
Warum hat eine relativ kleine mechanische Störung einen solch gravierenden Einfluss auf den Geodynamo? Gibt es hier etwa Verbindungen mit der Abfolge der Eiszeiten, die – zumindest in den letzten 1 Millionen Jahren – demselben Rhythmus folgen? Und was ist eigentlich mit dem Sonnendynamo? Ist es wirklich nur ein Zufall, dass die mittlere Periode des Sonnenzyklus gerade 11.07 Jahre beträgt, also exakt dieselbe Periode, mit der die Springtiden der gezeitendominierenden Planeten Venus, Erde und Jupiter auf die Sonne wirken? Kleine Ursache, große Wirkung – vielleicht hilft der Dresdyn-Dynamo ja, etwas mehr Licht in das Dunkel dieser wichtigen Prozesse zu bringen.
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Diesen Artikel finden Sie auch in Heft 5/2020 auf Seite 58. Zum besagten Heft führt ein Klick auf den nachfolgenden Button!
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