Güttinger: Temperierung via Schwerkraft
Physik sorgt für 1A-Lufttemperatur
Wenn es gilt, Büros oder Fertigungshallen passend zu temperieren, kommen in der Regel lärmende und stromfressende Klimaanlagen zum Einsatz. Dass es auch anders geht, haben findige Köpfe schon vor langer Zeit entdeckt. Sie nutzen Effekte der Natur, um lärmfrei und mit wenig Energieaufwand eine perfekte Temperierung großer Hallen zu erreichen. Diese Kunst beherrscht das Ingenieurbüro Güttinger aus dem ff.
Schwerkraft-Kühlanlage von Güttinger
Zur Produktion hochwertiger Werkzeugmaschinen, Präzisionswerkzeuge und Messmittel ist die Einhaltung kleinster Toleranzen eine zwingende Voraussetzung. Toleranzzonen von der Größe weniger tausendstel Millimeter lassen sich jedoch nur dann zuverlässig einhalten, wenn unter anderem die Lufttemperatur in der Fertigungshalle große Konstanz aufweist beziehungsweise nur geringen Schwankungen innerhalb von 24 Stunden unterworfen ist.
In Europas Produktionsstätten kommen daher in der Regel Klimaanlagen zum Einsatz, um Räume und Hallen zu temperieren. Sie produzieren jedoch Lärm, benötigen viel Energie und Erzeugen mitunter Zugluft, die von vielen Beschäftigten nicht selten als unangenehm empfunden wird, zudem vielfach der Grund für Erkältungskrankheiten sind.
Hinzu kommt, dass falsch ausgelegte Klimaanlagen unvermutet zu einer Fehlerquelle mutieren können, wie der Fall eines Werkzeugmaschinenherstellers zeigt, dem bei der Abnahme von Werkzeugmaschinen immer wieder die dort adaptierten Steuerungen versagten, was sogar ab und an zu einem Crash führte.
Nachforschungen zeigten, dass ein von der Klimaanlage kommender Luftstrom direkt auf die jeweils abzunehmende Werkzeugmaschine gerichtet war, was dazu führte, dass diese sich statisch auflud, somit die Steuerung fehlerhaft arbeitete oder gar zerstört wurde.
Mit Wasser gefüllte Rohre kühlen die Luft herunter
Staunenswerte Technik
Die sogenannte ›Schwerkraftkühlung‹ hingegen kann dank ihrer völlig anderen Funktionsweise solche Phänomene nicht hervorbringen. Vielmehr ist sie in der Lage, jeden Raum perfekt zu temperieren, ohne dass die eben genannten Nachteile zum Tragen kommen. Besonders vorteilhaft ist, dass dieses Verfahren nur wenig Energie benötigt, absolut lautlos arbeitet und keinerlei Zugluft erzeugt.
Ein Blick auf dieses Verfahren offenbart, dass hier die Gesetze der Natur zum Wohle der Fertigungstechnik eingesetzt werden: Warme Luft steigt nach oben, fängt sich in einem sogenannten ›Gravient‹, wird dort mittels eines wasserdurchflossenen Rippenrohr-Kühlkörpers abgekühlt, wandert in einem Schacht nach unten und anschließend durch ein Gitter in Richtung Hallenboden geleitet, wo sich ein „Kaltluftsee„ bildet, der die Umgebungswärme aufnimmt, mit der Eigenthermik nach oben steigt und der Kreislauf sich wiederholt.
Dieses geniale, bereits in den 1930er Jahren vom deutschen Ingenieur Robert Schmidt aus Köln ersonnene Verfahren wäre fast in Vergessenheit geraten, wenn der Zufall nicht Regie gespielt hätte. Besagter Erfinder hatte über sein patentiertes Verfahren im Jahre 1934 ein Buch geschrieben, dass eines Tages Dipl.-Ing. Kurt Güttinger in die Hände fiel. Dieser nahm um die Jahrtausendwende Kontakt zum damals bereits betagten Autor auf und konnte so dessen Wissen bewahren.
Und es ist viel Wissen nötig, damit eine Schwerkraftkühlanlage funktioniert. Alles muss für den jeweiligen Zweck durchgerechnet werden, da jede Temperieraufgabe eine individuelle Lösung erfordert. So ist es beispielsweise nicht egal, welchen Abstand die Kühllamellen im Gravient untereinander besitzen, schließlich wirken in einem solchen System kleinste Kräfte. Ist der Abstand zu klein, so staut sich die Luft an den Lammellen und strömt nicht an ihnen vorbei. Ist der Abstand hingegen zu groß, so strömt die Luft zwar mühelos durch die Lamellen, wird dabei mangels Kontakt zu den Lamellen jedoch nicht ausreichend abgekühlt.
In beiden Fällen ist das Resultat identisch: Es kommt nicht beziehungsweise nur zu einer ungenügenden Rotation der Luft.Ähnlich einer Fußbodenheizung ist der Einbau von Wasserrohren in die Bodenplatte des Hallenbodens eine weitere Voraussetzung, der das Schwerkraftkühlkonzept unterstützt. Das durch die Rohre strömende Kühlwasser ist je nach Jahreszeit entsprechend temperiert. Die vom Gravient kommende, abgekühlte Luft streicht am Boden entlang, wird dadurch erwärmt und steigt langsam wieder nach oben, wo sie erneut durch die Kühllamellen des Gravients strömt, abkühlt und wieder nach unten sinkt.
Ein Merkmal der Schwerkraftkühlung ist die besonders ausgefeilte Regelung. Hier erfassen Sensoren die Abwärme von Maschinen, Personen, Lampen und der Sonneneinstrahlung. Eine Software berechnet aus den Daten die passende Durchflussmenge des Wassers, das durch die Kühlrohre des Gravienten fließt und die warme Luft abkühlt. Diese feine Regelung ist derart effektiv, dass es mittels der Schwerkraftkühlung möglich ist, gezielt die Temperatur des in die Regelung einbezogenen Raumbereichs auf ± 1 Grad Celsius innerhalb 24 Stunden konstant zu halten.
Per Schwerkraftkühlung temperiertes Büro
Einfach und doch knifflig
Der Gravient selbst ist nicht einfach ein Blechkasten ohne Besonderheiten, den jede Schlosserei anfertigen könnte. Damit die Funktion zuverlässig gegeben ist, sind Kenntnisse der Strömungsmechanik nötig. So sind beispielsweise im Gravient an bestimmten Stellen Leitbleche angebracht, die verhindern, dass sich die nach unten strömende Luft einschnürt.
Es ist schon ein Fall bekannt worden, wo ein Unternehmen meinte, eine grob verputzte Wand als Teil des Gravienten verwenden zu können. Doch strömte dort die Luft nicht wie erwartet nach unten. Auf der Suche nach der Ursache wurde eine echte Überraschung zutagegefördert: Der grobe Putz bremste die nach unten strömende Luft zu stark ab, sodass das System nicht wie erwartet funktionierte.
Wird hingegen alles richtig gemacht, so stellt sich eine Strömungsgeschwindigkeit von rund 0,15 Meter pro Sekunde ein, mit der die Luft durch den Gravienten nach unten sinkt. Die Höhe des Gravienten bestimmt dabei die Geschwindigkeit, die die Luft maximal erreichen kann. Die Grenze setzt als Naturkonstante die Anziehungskraft der Erde. Diese verhindert, dass Luft jemals schneller als 9,2 Meter pro Sekunde werden kann.
Dies würde jedoch einen Gravienten erfordern, der die Höhe normaler Gebäude sprengen würde. Doch ist es nicht das Ziel, die Luft möglichst schnell nach unten sinken zu lassen. Die angestrebten 0,15 Meter pro Sekunde Luftgeschwindigkeit sind ein idealer Wert, da bereits bei 0,19 Meter pro Sekunde Luftgeschwindigkeit der Mensch beginnt, sich durch die nun wahrnehmbare Zugluft unwohl zu fühlen.
Dadurch, dass die Luft mit gemächlichen 0,15 Meter pro Sekunde extrem langsam am unteren Ende des Gravienten wieder austritt, spielen Hindernisse, die nahe am Gravienten platziert sind, keine Rolle bezüglich einer möglichen Verwirbelung der Luft. Aus diesem Grund gibt es auch keine Temperaturnester im vom jeweiligen Gravienten abgedeckten Bereich. Die Schwerkraftkühlung erlaubt demnach eine perfekte Temperierung einer Fertigungshalle beziehungsweise eines ausgewählten Bereichs innerhalb der Halle.
Alles was dafür benötigt wird, ist Kühlwasser, das für die Abkühlung der erwärmten Luft benötigt wird. Idealerweise wird dieses Wasser dem Grundwasservorkommen oder einem vorbeifließenden Bach entnommen. Ist dies nicht möglich, so kann auch eine Kühlanlage verwendet werden, die das vorhandene Fernwasser entsprechend herunterkühlt. In diesem Fall ist jedoch das Energieaufkommen zum Betrieb der Schwerkraftkühlanlage ein wenig höher, da nun der Stromverbrauch für das Kühlen des Wassers zu berücksichtigen ist.
Ein Free-cooling-Betrieb der Kältemaschine verbessert aber die Wirtschaftlichkeit entscheidend. Bis zu einer Außentemperatur von plus 14,5 Grad Celsius erfolgt die Kühlwassererzeugung mit Ausnutzung der Außentemperatur. Natürlich wäre es unangemessen, die vorhandene Luft lediglich in einem Kreislauf zu führen. Frischluft ist eine weitere Komponente, die bei der Planung einer Schwerkraftanlage zu berücksichtigen ist. Die Zuführung von Frischluft ist sorgfältig zu planen, damit der Erfolg der Schwerkraftkühlung nicht durch Störströmungen gefährdet wird.
Sind beispielsweise am geplanten Standort hohe Sommertemperaturen zu erwarten, so bietet es sich an, die angesaugte Frischluft zunächst durch ein in das Erdreich eingebrachte Rohr fließen zu lassen. Da das Erdreich selbst in einem heißen Sommer immer eine Temperatur von rund 12 Grad Celsius besitzt, kann die Luft auf diese Weise sehr preiswert vorgekühlt werden, ehe Sie als Frischluft in die Halle eingelassen wird.
Auch das Einlassen der Frischluft bedarf eines Kniffs, damit das System nicht unnötig in seiner Kontinuität gestört wird: Diese wird in den jeweiligen Gravienten an mehreren Stellen mittig mittels Rohren eingelassen und zwar nicht mitthilfe eines Gebläses, sondern ebenfalls per Ausnutzung der Schwerkraft. Das System muss derart ausgelegt sein, dass der pro Person notwendige Frischluftanteil erfüllt wird. Somit ist es möglich, durch das Ausnutzen der Physik, Fertigungshallen und Büroräume zu temperieren, ohne gewaltige Summen für Energie bereitstellen zu müssen.
Der Einsatz der Schwerkraftkühlung macht sich monetär extrem positiv bemerkbar, ist es damit im Vergleich zur herkömmlichen Klimaanlage doch möglich, rund 95 000 Euro Betriebskosten pro Jahr einzusparen. Dieses Einsparvolumen führt dazu, dass sich die Anschaffungskosten für eine Schwerkraftkühlung innerhalb von nur fünf Jahren amortisieren. Obendrein bekommt der Auftraggeber eine optimal temperierte, zugluftfreie Fertigungsumgebung und kann sich über Mitarbeiter freuen, die mit mehr Freude ihrer Tätigkeit nachgehen und weniger häufig unter Erkältungskrankheiten leiden.
Damit eine Schwerkraftkühlung perfekt funktioniert, bedarf es eines umfangreichen Fachwissens, wie es das Unternehmen IBG-GbR in Kempten besitzt. Geschäftsführer Dipl.-Ing. Kurt Güttinger konnte, wie bereits erwähnt, Kontakt mit dem Erfinder der Schwerkraftkühlung aufnehmen und sich dessen Wissen aneignen. Von ihm geplante Anlagen werden vor der Realisierung vorab mittels eines Großrechners nach den Regeln der Strömungsmechanik simuliert, sodass Probleme vorab erkannt und abgestellt werden können. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass jede von Kurt Güttinger geplante Anlage perfekt funktioniert.
0,15 Meter/Sekunde beträgt die Luftgeschwindigkeit
Mehr Informationen:
Güttinger Ingenieure GbR | |
Sängerstraße 13 | |
87435 Kempten | |
Tel.: 0831 521 78 – 0 | |
Fax: 0831 521 78 – 18 | |
E-Mail: info@guettinger-ingenieure.de | |
www.guettinger-ingenieure.de |
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